GALERIE ATZENHOFER

Martin Graf
Vita & Werk

Holzköpfe & feine Damen

Ausstellung vom 18. Juli - 29. August 2009


Anton Atzenhofer
"Martin Graf"
2009 · Gouache

Bilder von Martin Graf

Martin Grafs Webseite:
www.edition8x8.de
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Deutsche Briefmarken zeigen ja häufig recht traditionelle, konservative Motive wie Blumen, Gebäude oder die Köpfe sonorer Persönlichkeiten. Martin Grafs Briefmarken-Serien haben mit ihren seriösen Verwandten von der Bundespost nur den Zackenrand und die Klebegummierung gemeinsam. Die fröhlich, frech dargestellten Themen reichen von Motiven aus dem Kosmonautenalltag über die Portraits illustrer Barockherrschaften bis hin zu sexy Damenunterwäschemodellen. Besondere Schmankerl sind die Pilz-Briefmarken und die Sonderedition Wurstpost, die witzige und frivole Möglichkeiten für den genussvollen Umgang mit dem tierischen Produkt zeigt. Während die Wurst-Marken jede Art von Briefkuverts, Karten oder Geschenkverpackungen in etwas ganz Einzigartiges verwandeln, macht erst das Wurstmobile eine Wohnung richtig wohnlich.
Noch mehr Aktion bieten die kuriosen Pop-Ups, Pop-Up-Bücher und Bastelbögen, die durchaus nicht nur für Kinder, sondern allein schon wegen der teils offen erotischen Themenwahl vor allem auch für Erwachsene gedacht sind. Ähnlich verhält es sich mit den Druckgrafiken, die in Linolschnitt-Technik hergestellt werden und ganz unterschiedliche, kuriose Szenen zeigen. Dargestellt werden z.B. die Erlebnisse des Odysseus mit einer der Sirenen, ein Bauernpaar mit den entscheidenden Zutaten für Steckrüben-Kürbissuppe und zwei Szenen aus Hamburg: das phonografisch-musikalische Kunstinstitut und das pornografische Kunstinstitut auf der Reeperbahn.
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Martin Graf wurde in Erlangen geboren und ging dort zur Schule. Seine Berufslaufbahn startete er in Nürnberg an der Akademie der bildenden Künste mit einer Ausbildung in Malerei. Anschließend studierte er die Kunst und das Leben in London. Zur Abrundung seiner umfangreichen akademischen Ausbildung absolvierte er danach noch ein Studium der Illustration an der FH für Gestaltung in Hamburg, wo er 1998 den Kleinverlag „edition8x8“ gründete.
Zunächst fertigte Graf im Sieb- und Offsetdruckverfahren Hefte (Format 8x8 cm), die von verschiedenen Illustratoren und Schriftstellern gezeichnet wurden. Später entwickelte sich sein Unternehmen zu einem „Laboratorium für Papiermechanik“, in dem heute ganz unterschiedliche, häufig mehrdimensionale und interaktive Kunstwerke entwickelt werden. Wichtig ist für Martin Graf, dass jeder, dem diese Kunstform gefällt, sie auch erwerben kann und so werden seine Pop-Ups, Quartette, Kalender, Briefmarken und Mobiles von ihm vervielfältigt und zu erschwinglichen Preisen als Bastelbögen angeboten. Wer nach Hamburg kommt, kann direkt in dem, der Werkstatt angeschlossenen Laden einkaufen und einmal monatlich am „After-Work-Basteln“ teilnehmen. Im übrigen garantiert das perfekte Vertriebsnetz und der gut funktionierende Internethandel (www.edition8x8.de) eine Versorgung mit Graf-Spezialitäten für jeden Haushalt.

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„Zeige mir Deine Kunst und ich sage Dir, wer Du bist.“ Nachdem viele Künstler in ihren Arbeiten bestimmte Themen, Techniken und Materialien favorisieren, können da durchaus immer mal wieder Rückschlüsse auf ihre Gedankenwelt gezogen werden. Bei Martin Graf ist die Angelegenheit etwas komplexer; seine Themen sind ebenso wie die Darstellungsformen recht vielfältig und was sein Arbeitsmaterial anbelangt, hat er sein Repertoire gerade mal wieder erweitert. Die neuesten Kreationen aus der Grafschen Werkstatt sind aus massivem Holz gefertigt und bunt bemalt: seine beweglichen Figuren faszinieren vor allem durch ihre ausdruckstarke Mimik. Gar nicht hölzern, eher ungekünstelt, bodenständig und sehr lebendig blicken die hellwachen Gestalten mit den markanten Gesichtern ihrem Betrachter entgegen. Man könnte sie sich gut als die Darsteller in einem Theaterstück oder in einer tschechischen Märchen-Verfilmung vorstellen.
Martin Graf ist aber nicht nur genial begabt was das Konstruieren und Gestalten von beweglichen Kunstobjekten aus Papier und neuerdings auch aus Holz anbelangt, er ist in erster Linie auch ein hochtalentierter Zeichner. Den größten Raum der Ausstellung nehmen daher seine Tusche-Bilder ein, die sich durch einen äußerst präzisen Zeichenstil und eine außergewöhnlich charmant nostalgische Darstellung auszeichnen. Glücklicherweise legt sich Graf inhaltlich nicht auf ein Lieblingsthema fest, er thematisiert alles, was ihm Freude macht, häufig eher phantastische Dinge bzw. Figuren, z. B. Seefahrer, Astronauten, Lassowerfer, Barockherrschaften, Riesen, Zirkusakrobaten, Schwertschlucker, Dompteure mit ihren Tieren.
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Aus der Zirkuswelt, genauer gesagt aus dem Zirkus Zambini stammt auch der Zauberkünstler Grimaldi, der vermutlich nicht zufällig die gleichen Anfangsbuchstaben wie der Künstler im Namen trägt. In einen schicken Frack gesteckt, gäbe Herr Graf einen erstklassigen Zauberer ab; seine besonderen Tricks: Idealisierung, Harmonisierung, Skurillisierung, Kuriosisierung ungewöhnlicher wie auch ganz alltäglicher Situationen. Die Barockdamen fliegen durch die Luft, die lassowerfenden Cowboys fabrizieren bizarre Figuren aus ihrem Seil, einer am Strand liegenden Dame im Bikini werden von einem Friseur die Haare geschnitten. Und ab und an taucht versteckt oder offen auch das Thema Erotik auf. Zwei Nackte verfangen sich in wildgewordenen Lassos, Masochisten treffen sich in der Wüste zum Spiel mit den Kakteen.
Eine ganz großartige Idee kam Herrn Graf bei der Beschäftigung mit dem Thema Psychologie: In Erweiterung des sogenannten Rorschachtests (Tintenklecks-Interpretationen) hat er seinen eigenen Ideen zu den Tintenklecksformationen gleich die passenden Zeichnungen hinzugefügt. Eine junge Dame kuschelt sich liebevoll an das „Tintenklecks-Monster“, eine andere beschimpft es, einer Hausfrau explodiert der Schnellkochtopf voll Tintenklecks-Risotto, ein würdiger älterer Herr lüpft seinen Hut vor der Tintenklecksdame.
So verrückt und abgehoben sich die Themen der Grafschen Arbeiten anhören, so angenehm offenherzig, nahbar und liebenswert ist ihre Darstellung. Wem diese Figuren nicht ans Herz gehen, der hat keines. Die Kunst von Martin Graf ist witzig, freundlich, skurril, eigenwillig, intelligent und immer absolut bezaubernd.